Das Volk sind wir! Nicht das Volk.

Epilog zum Brexit

Das britische Volk hatte entschieden. Eindeutig und ohne jeden Makel. Ein Fest für alle Demokraten, für alle, die mehr Basisdemokratie wagen wollen – sollte man meinen. Tatsächlich aber rotteten sich gleich jene zusammen, die sich gegenseitig gerne lautstark als Demokraten feiern, um als ’staatstreue Dissidenten‘ die Staatsgewalt gegen ein Volksvotum aufzuwiegeln. In radikaler Rabulistik werden ein paar Scheingründe konstruiert, die jeder Schurkenstaat als allzu fadenscheinig beschämt ablehnte. Ein bestechendes Beispiel sozialer Intelligenz als Kunst die eigenen Lügen zu glauben. Was für ein Demokratieverständnis liegt dem zu Grunde, muss sich da ein Verlegenheitsdemokrat fragen? Die Wähler zum Abnicken der offiziellen Mainstream-Meinung, der Meinung die – von wem? – grade als die richtige ausgezeichnet wurde? Ganz ähnlich dieses Demokratie-Unverständnis mit dem faktisch offiziösen Verständnis der Meinungsfreiheit, die nicht missbraucht werden dürfe von der rechten Meinung abzuweichen. Das nennt sich dann wohl „wehrhafte Demokratie“, die sich gegen unliebsame Meinungs- und Willensäußerungen zu schützen weiß. Und der Gutmenschinnen-Begriff wird hier zurecht negativ konnotiert verwendet, denn an diesen sich selbst gut denkenden Leuten der offiziellen Einheitsmeinung ist nichts Gutes, nicht mal was Gutmeinendes,[i] das höchste Gut ist ihnen offensichtlich nicht das Gute, sondern das eigene Gutfühlen. Und so überrascht es nicht, dass der Journalistenverband 2006 völlig frei erfunden in die Welt setzen wollte „Gutmensch“ sei ein NS-Begriff. Damals, 10 Jahre und weniger machen derzeit tatsächlich schon ein „damals“, wurden sie mit diesem Versuch der Geschichtsfälschung noch aus dem eigenen Milieu abgewatscht. Neun Jahre später gelang ihnen hingegen dieselbe Fälschung bei der Diskreditierung der „Lügenpresse“ problemlos. Und dies ist verallgemeinerbar: In der momentanen Konsolidierungsphase der Einheitsmeinungsgesellschaft hat Kritik keinen Platz.[ii]

Selbst so absurde Sachen wie Menstruationsurlaub pauschal für alle Frauen hat nicht Gelächter und Empörung ob des Weiberwahns hervorgerufen, sondern auch hier den Opferabo-Reflex, der in den Bonustagen eine Herabsetzung des Weibes sehen wollte. Anders sah dies noch 2007 aus, als Teile der Grünen eine höhere Besteuerung männlicher Steuerzahler forderte; dies wurde noch halbwegs angemessen als Quatsch bezeichnet – wirklich angemessen wäre dieser ausufernde Geschlechtsrassismus mit verbrecherisch zu bezeichnen. „Eigentlich“ ist es mittlerweile hinlänglich  bekannt, dass die Gefahr groß ist die Wahrnehmung nicht von der Realität sondern von den Lügen, Falschheiten und Vorurteilen der Zeit bestimmen zu lassen. Diese Problematik der Milieu- und Zeitgeistverfangenheit ist theoretisch jedem dieser Journalisten bekannt, aber da beißt sich die Katze in den Schwanz…

Und jetzt noch der überflüssige und doch notwendige (sic) Disclaimer: Nur weil Hitler Vegetarier war, werde ich nicht anfangen Fleisch zu essen – hat inkonsequenterweise auch noch niemand von mir verlangt; wohl aber wird letzthin gleichermaßen begründet reflexartig gefordert nicht von „Lügenpresse“, „Gutmenschen“ oder „Opferabo“ zu sprechen, weil auch AfD-Leute sich derart ausgedrückt haben sollen. Nicht aber sind diese Wörter phrasenhaft, sondern ihre unbesehene Ablehnung. Und nicht ihre Verwendung ist widerlich, empörend oder ekelhaft, sondern sie manipulativ, massenmeinungsmachend in einen falschen Nazikontext zu stellen: Das gefährlichste Erbe der NS-Zeit im 21. Jahrhundert mag sein, dass das in Deutschland legitim gewesene Verbot von Nazi-Gedankengut zunehmend als Bresche missbraucht wird, um alle möglichen unliebsamen Ansichten erst zu diskreditieren und dann zu verbieten.

Was bleibt sonst? Der EU einen sanften Tod zu wünschen. Das ist sehr schmerzlich, denn die EU war die größte Errungenschaft im 20. Jahrhundert, das nun wohl seinen letzten Stolz verliert und gänzlich zum Jahrhundert der Barbarei verkommt. Aber leider wurde grade die EU, die nicht zuletzt zur Abwehr der totalitaristischen Ideologien des 20. Jahrhunderts zusammenwuchs, zum Opfer des dritten dieser Ideologiekomplexe: „Feminismus/Gender“ im Windschatten von „Kommunismus/Bolschewismus“ und als Kriegsgewinnler von „Faschismus/Nazismus“ gewachsen (siehe auch: Der dritte Totalitarismus).

Siehe auch noch:

– Zur Gutmenschen-Gabe staatstreu und dissident zu sein: Ein Volk bekennt Farbe
– Zur Begrifflichkeit der gewöhnlichen Gutmenschin: Gutmensch ≠ Gutmensch
– Zu den ins Kleingedruckte der Anmerkungen marginalisierten Lesben: Von Trümmerfrauen und Lesbenmälern


[i] Selbst Kritiker von Zeitgeist-Frevel hüten sich gute Absichten nicht zu rühmen. So hat ein Historiker sich zwar nicht überwinden können die Falschheit der Behauptung einer Lesbenverfolgung in der NS-Zeit zu verschweigen, stellte aber zur Einweihung entsprechender Lesbenmäler beflissen die total tollen Absichten der Initiatoren fest. Wo ist hier etwas Gutmeinendes zu sehn? Eine Lobbyistenbande fälscht gezielt im eigenen auch finanziellen Interesse die Geschichte nach ideologischen Gesichtspunkten im Einklang mit den allgemeinen, staatlich geförderten und betriebenen Lügen?

[ii] Nach abgeschlossener Konsolidierung wird es wahrscheinlich nicht mal die Vorstellung von Kritik mehr geben: der Weg von der Schweigespirale zum Denkverbot.

2 Gedanken zu „Das Volk sind wir! Nicht das Volk.

  1. Heute hat nun Donald Trump die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen. Aller vorauseilenden Bauchpinselei seiner Konkurrentin zum Trotz. Gut so, es wurde der nächste Schub internationaler Überweiberung verhindert. Unseren servilen und zeitgeistorientierten „Politikern“ ist das hoffentlich eine Lehre.
    R. W.

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  2. Immerhin sind amerikanische Wahlen nicht über europäische Medienkampagnen gewinnbar – wenig überraschend. Und Frauenstimmen zählen doch nicht mehr, wie uns und v.a. den Politikern dieselben Medien seit Jahren vorgaukeln, Wahlen könnten nicht gegen die bestens (staatlich) ausgestatteten Frauenlobbyverbände gewonnen werden. Deswegen finde ich Trump zwar nicht toll, aber schlimmer als die Bushs oder der schon nostalgisch verklärte Reagan wird er auch nicht werden und unter Obama wurde die Welt weder friedlicher noch gerechter, was immer dies heißen mag.

    PS: Leider war ich längere Zeit nicht hier und die E-Mail-Benachrichtigung ging nicht.

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